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Kreativ zurück ins Arbeitsleben
Fotos: Marco Stepniak, Diakonie im Kirchenkreis Recklinghausen

Kreativ zurück ins Arbeitsleben

Lesedauer: ca. 3 Min. | Text: Jakob Surkemper

Um wieder am Arbeitsleben teilzuhaben, üben sich Langzeitarbeitslose bei „Kreativ im Vest“ seit 2014 im kunstvollen Upcycling ausgedienter Produkte.

In der Schreinerei der Umweltwerkstatt in Recklinghausen zeichnet Detlef Klein gerade die Sterne der Europafahne auf eine alte Holzplatte auf. Einige seiner fertigen Arbeiten stehen auf einem Regalbrett über seinem Arbeitsplatz: ein Hampelmann, eine Rakete oder eine Giraffe. Darunter sein „Meisterstück“: eine Kirche aus alten, wieder aufbereiteten Holzbrettern. „Die Diakonie ist ja eine kirchliche Organisation. Da bin ich ganz spontan auf die Idee gekommen“, erklärt der 58-Jährige stolz. Und wenn er mal keine Idee hat, macht Fachanleiter Axel Oschmann auch Vorschläge. Die besten Werke finden dann den Weg nach vorne in die Vitrine im Sozialkaufhaus – durchaus ein zusätzlicher Anreiz, wie Detlef Klein bestätigt: „Wenn etwas in die Vitrine kommt, bin ich glücklich.“ Bei einigen seiner rund 20 Werke sei dies schon geglückt. Sich selbst etwas ausdenken zu müssen, kannte der gelernte Garten- und Landschaftsbauer aus seinem Arbeitsleben kaum: „Da hat der Chef gesagt, was zu tun ist.“ Bis vor gut fünf Jahren hat der Recklinghäuser in seinem gelernten Beruf gearbeitet. Dann konnte er körperlich nicht mehr und wurde arbeitslos. „Aber das war nichts für mich. Ich musste irgendwas tun.“ Seine Sachbearbeiterin beim Jobcenter Kreis Recklinghausen, das die Maßnahme auch finanziert, schlug ihm „Kreativ im Vest“ vor.

Niedrigschwelliges Angebot

Ganz so viel Eigenengagement wie Detlef Klein haben nicht alle Teilnehmer, weiß Stefanie Weise, pädagogische Projektmitarbeiterin: „Bei vielen, geht es erst einmal darum, sie wieder an eine feste Tagesstruktur zu gewöhnen.“ Täglich fünf Stunden arbeiten die derzeit acht Maßnahmenteilnehmer in Schreinerei und Schneiderei. Auch sei
die Integration in den ersten Arbeitsmarkt im Anschluss an die Maßnahme nicht für alle eine realistische Perspektive. „Unser Minimalziel ist, dass die Teilnehmer am Ende besser dastehen als vorher.“ Das könne auch zunächst eine Verlängerung der Maßnahme um weitere sechs Monate sein oder eine anspruchsvollere sogenannte Arbeitsgelegenheit vorne im Sozialkaufhaus. Auch Detlef Klein macht sich mit seinen 58 Jahren nur noch wenig Hoffnung auf den ersten Arbeitsmarkt. Er hat die ersten sechs Monate bereits hinter sich und gerade noch mal eine Verlängerung erhalten. Er hofft, danach weiter bei der Diakonie arbeiten zu können. Aber auch so sei die Teilnahme schon die richtige Entscheidung gewesen: „Es macht mir großen Spaß hier“, und das nimmt man ihm sofort ab.
Neues Leben für ausgedientes Holz: Detlef Klein gibt ihm durch „Kreativ im Vest“ eine neue Bestimmung – und hat selbst wieder eine Aufgabe.

Wir fragen:  Stefanie Frings, Referentin für Teilhabe und Inklusion der Diakonie im Kirchenkreis Recklinghausen

Können Sie mir ein Beispiel aus Ihrem Arbeitsalltag nennen?

Ein Beispiel wäre das Projekt AIDA, was für „akteurszentrierte Integration digitaler Assistenzsysteme“ steht. In einer Demonstrationswohnung am Matthias-Claudius-Zentrum in Oer-Erkenschwick erproben wir beispielsweise, wie solche Assistenzsysteme Menschen dabei helfen, im Alter möglichst lange selbstständig zu leben (VEST ERLEBEN berichtete). Dazu werden (potenzielle) Nutzer*innen regelmäßig befragt. Zur Teilhabe gehört aber auch, die Menschen zunächst mal zu fragen, wo ihre Unterstützungsbedarfe überhaupt liegen. Dazu suche ich regelmäßig das Gespräch. Auf der Basis entwickeln wir zum Beispiel „RentAble“, eine Bibliothek der Dinge, die im Alltag helfen können. Das kann ein Staubsaugroboter oder Spazierstock mit GPS-Notruf sein. Wir entwickeln auch Erklärvideos, in denen Rentner Rentnern erklären, wie z. B. Onlinebanking funktioniert oder wie man sicher online shoppen kann. Denn zur Teilhabe gehört auch Teilhabe an Risiken.

Welche Chancen bietet Kultur für Teilhabe?
In vielen Kontexten wird Unterschiedlichkeit oft als Störfaktor wahrgenommen, in der Kultur ist das anders. Kultur ist ein Türöffner für Begegnungsräume, wo man Andersartigkeit und Diversität nicht als etwas Trennendes, sondern in Gemeinschaft kennenlernen kann

Können Sie ein Beispiel nennen?
Ein Altenheim ist normalerweise ein Ort, den viele von uns höchstens aufsuchen, wenn wir Verwandte dort haben. Kulturelle Veranstaltungen können das aufbrechen. Ich habe das mal bei einem Whiskey-Tasting mit einem entsprechenden Rahmenprogramm erlebt. Ich habe noch nie so viele junge und alte Menschen zusammen gesehen, die dann auch miteinander ins Gespräch kamen.

Info Diakonisches Werk im Kirchenkreis Recklinghausen
Diakonisches Werk im Kirchenkreis Recklinghausen

Elper Weg 89
45657 Recklinghausen

www.diakonie-kreis-re.de

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