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Labor der Bildung
Foto: Volker Beushausen

Labor der Bildung

Lesedauer: ca. 3 Min. | Text: Jakob Surkemper

Zehn Schüler einer Klasse werden später in einem Beruf arbeiten, den es heute noch nicht gibt. Wie können Hochschulen ihre Studierenden darauf vorbereiten? Darüber sprachen wir mit Prof. Dr. Desiree Jakobs Schönwandt, Prof. Dr. Stephan Keuchel und Carsten Taudt (IHK).

Frau Professor Jakobs-Schönwandt, Herr Professor Keuchel, was waren die Hintergründe bei der Einführung Ihrer noch jungen Studiengänge?

Keuchel: Der Studiengang Mobilität und Logistik ist 2017 aus den drei Vertiefungsrichtungen Automobil- und Unternehmenslogistik sowie Verkehr und Logistik des Studiengangs Wirtschaftsingenieurwesen hervorgegangen, um neuen Berufsprofilen spezifischer gerecht zu werden. Das war anfangs sehr erfolgreich. Die Studierendenzahlen sind deutlich gestiegen. Jetzt sind wir uns nicht mehr so sicher. Möglicherweise überfordert das breite Studienangebot die Studierenden.

Jakobs-Schönwandt: Den Studiengang Nachhaltige biologische und chemische Technologien, kurz NBCT, gibt es seit 2021 als Reaktion auf aktuelle Herausforderungen und die zunehmende gesellschaftliche Nachfrage der Industrie nach interdisziplinär ausgebildeten Fachkräften mit Kenntnissen in Chemie und Biologie.

In welchen Berufen werden Ihre Absolventen typischerweise arbeiten?

Jakobs-Schönwandt: Noch haben wir keine Absolventen, durchaus aber Anfragen von Firmen, z. B. aus der Verfahrens- und Umwelttechnik oder der Nahrungsmittelindustrie.

Da warten also Berufe, die es heute noch gar nicht gibt?

Jakobs-Schönwandt: Die Berufswelt erwartet flexibel ausgebildete Fachkräfte. Studien belegen, dass kaum noch jemand sich zu Studienbeginn für einen Beruf entscheidet, den er sein Leben lang ausübt. Der Blick über den Tellerrand und die Bereitschaft und Fähigkeit, in bisher unbekannten Bereichen zu arbeiten, sind Voraussetzungen für die heutige Arbeitswelt und gleichzeitig eine Chance.

Wie gut gelingt die Vermittlung dieser Kompetenzen, speziell in den Hochschulen?

Taudt: Als das BA-MA-System eingeführt wurde, meldeten Unternehmen häufig: „BA-Studenten sind die teuersten Auszubildenden, die es gibt; können wenig, aber wollen viel Geld.“ Das sieht bei den MAAbsolventen anders aus. Immer wieder höre ich von Betrieben: Praxisfähigkeit ist ganz entscheidend. Die Halbwertszeit des Wissens war immer kurz, aber sie wird aktuell noch mal kürzer, auch durch KI.

Wie lässt sich diese Praxisfähigkeit erreichen, wie Theorie und Praxis besser verzahnen?

Taudt: Mithilfe dualer Studiengänge oder Forschungsaufträge aus der Industrie.

Jakobs-Schönwandt: Ein großer Vorteil der Fachhochschulen ist die Nähe zur Industrie besonders in praktischen Belangen, zum Beispiel über Abschlussarbeiten oder Forschungskooperationen, bei denen Unternehmen von Anfang an dabei sind und manchmal Studierende übernehmen. Das sind oft tolle Impulse, die sich aus solchen Kooperationen ergeben und wieder in Forschung und Lehre einfließen.

Welche Entwicklungen beobachten Sie da derzeit?

Keuchel: Unsere großen Themen sind Digitalisierung, Automatisierung und Klima. Die digitale Technik eröffnet ganz neue Prozesse. Eine allgemeine Tendenz ist, dass es immer interdisziplinärer wird. Beispiel Mobilität: Effizienz spielt eine große Rolle, damit wir uns bestimmte Dinge überhaupt noch leisten können. Aber auch Gerechtigkeitsfragen: Wie wird dies gesellschaftlich umgesetzt? Wie steht es um die Akzeptanz?

Taudt: Wasserstoff ist ein großes Thema. Da fordern manche einen neuen Beruf. Das braucht es gar nicht. Chemikanten etwa mussten immer in komplexen Anlagen verschiedene Stoffe produzieren und verwenden, Wasserstoff ist nur ein weiterer. KI hingegen wird die Arbeitswelt radikal verändern. Texte werden KI-generiert sein. Die Aufgaben verschieben sich vom Schreiben zum richtigen Formulieren von Prompts und Qualitätskontrolle. In zwei, spätestens fünf Jahren werden auch Unternehmen, die heute noch zurückhaltend sind, KI standardmäßig einsetzen.

Jakobs-Schönwandt: Wir arbeiten viel im Labor. Auch da spielt KI eine immer größer werdende Rolle. Die Bioinformatiker könnten die ganze Hochdurchsatzsequenzierung nicht ohne Digitalisierung realisieren.

Wie sieht die Bildung der Zukunft aus?

Taudt: Wir werden eine extreme Individualisierung des Lernens erleben. Aufgabe der Lehreinrichtungen wird sein, so etwas für ihre Studierenden zu adaptieren.

Jakobs-Schönwandt: Neben der Verarbeitung großer Datenmengen sehe ich zukünftig Chancen bei der wissenschaftlichen Recherche, etwa im Screening großer Textmengen. Da sind dann andere Kompetenzen gefragt, von dem später auch Firmen profitieren.

Gespräch: Karoline Jankowski und Jörn-Jakob Surkemper

Info
Westfälische Hochschule

www.w-hs.de

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