Beschreibung
Auf Anordnung der Westalliierten richteten die Ministerpräsidenten der westdeutschen Länder am 1. September 1948 in Bonn den Parlamentarischen Rat ein. Er hatte den Auftrag, eine Verfassung für einen westdeutschen Teilstaat zu errichten. Präsident des Parlamentarischen Rates wurde der spätere Bundeskanzler Konrad Adenauer. Seine Rolle wurde von Anfang an kontrovers beurteilt. Die Opposition bezeichnete ihn im November 1949 als „Bundeskanzler der Alliierten“ – zu Unrecht, denn Adenauer sah seine Aufgabe darin, eine Atmosphäre zu schaffen, in der Verfassungsschöpfung unter Besatzungsherrschaft überhaupt erst möglich wurde. Es war sein Verdienst, die Interessen der deutschen politischen Parteien mit denen der Alliierten und den weltpolitischen Erfordernissen in Einklang zu bringen. Adenauer hat als Präsident des Parlamentarischen Rates mit ausgeprägtem politischen Instinkt die Geschicke des Parlamentarischen Rates geleitet und trotz mancher Hürden die Arbeit am Grundgesetz erfolgreich zum Abschluss führen können. Hierfür war auch sein großer Pragmatismus ausschlaggebend. Für diesen Pragmatismus steht seine Äußerung am Rande einer der letzten Plenarsitzungen, als im Frühjahr 1949 die Verhandlungen zäh verliefen: „Wir beschließen das Grundgesetz und nicht die Zehn Gebote!“ Bemerkenswerterweise hatte auch die eigene Partei Adenauer unterschätzt. Sie war überzeugt, dass sie dem „Elder Statesman“ aus der Weimarer Zeit mit dem Amt des Parlamentspräsidenten 1948 einen ehrenvollen Abschied aus dem aktiven politischen Leben verschaffen würde. Stattdessen hatte sich der ehemalige Kölner Kommunalpolitiker mit seinen 73 Jahren nachhaltig für das Amt des Regierungschefs einer – wenn auch geteilten – Nation qualifiziert.
Dr. Michael F. Feldkamp, mit zahlreichen Veröffentlichungen profilierter Historiker des deutschen Parlamentarismus und des Deutschen Bundestages, wirft in seinem Vortrag einen genauen Blick auf die für die Gründung der Bundesrepublik entscheidenden politischen und personellen Konstellationen von 1948/49.
Vortrag in Kooperation mit der VHS Recklinghausen und der „Pfarrer Brachthäuser-Stiftung“
